Was ist Rhetorik?

Die Kunst und Technik der Rede. 

Ein Redner ist im rhetorischen Sinn der kommunikativ handelnde Mensch.

Rhetorisches System

Das Themengebiet wird seit 2500 Jahren durch den konkreten praktischen Bedarf des Redners bestimmt

Seine Kernfragen lauten: Was sage ich? Wie formuliere ich? Wie verhalte ich mich?

Man kann also grob zwischen Ideenfindung, Sprache und Vortragsweise unterscheiden.

Kleine Zeitreise: Ein Tyrann wurde gestürzt. Wie Tyrannen und Diktatoren es so machen, hatte er das Eigentum anderer zu seinem gemacht. Nach dem Sturz mussten Bürger vor einer Volksversammlung persönlich ihr Eigentum zurückfordern. Sie mussten die anderen Menschen überzeugen.
Das war der Anfang der Rhetorik vor rund 2500 Jahren.  

Ein kleiner Blick auf das System der Rhetorik:
Redeplanung: Inventio, Dispositio, Elocutio, Memoria, Actio sind die klassischen lateinischen Begriffe der Arbeitschritte. Vielleicht kennnen Sie ähnliche Begriffe.

  • Systematisch Ideen finden.
  • Das logische und zielorientierte Ordnen der Redeideen.
  • Das Ausformulieren der Redeteile.
  • Die Merktechnik, um als Redner eine freie Rede halten zu können.
  • Redestruktur: Die einfachste Struktur einer Rede folgt den Begriffen Einleitung, Hauptteil und Schluss. Man kann Funktionen bestimmen und Inhalte entsprechend gestalten.
  • Aufgaben eines Redners: Motivieren - Informieren - Unterhalten sind die Aufgabenbereiche eines Redners. (lateinisch: movere - docere - delectare)
  • Je nach Redegattung kann dabei weiter differenziert werden: Gerichtsrede, die beratende Rede und die Lob- und Trauerrede. Der Redeanlass bestimmt die Struktur und Inhalte der Rede mit.

Überzeugen als Ziel im rhetorischen Kommunikationstraining:

  • Mit einem Vortrag überzeugen.
  • Zielorientierte Gespräche führen.
  • Mit einer Präsentation eine Idee und ein Konzept vorstellen.
  • Kurzfristig von nötigen Handlungen überzeugen.
  • Langfristig einen Einstellungswechsel bewirken.

Überzeugen in  Redesituationen:
Überzeugen kann man mit guten Inhalten, Formulierungen und Argumenten, dem Bezug zum Zuhörer und dem eigenen Verhalten. Das kann kurzfristig und langfristig wirken. In der deutschen Sprache unterscheiden wir zwischen Überzeugen und Überreden. Das Überreden bezeichnet eher manipulative Strategien und Techniken für kurzfristige Effekte.

Einige Begriffe und Termini im Zusammenhang:

  • Rede: Ein Mensch spricht vor vielen. Die Rhetorik entstand vor 2500 Jahren durch den Bedarf einzelner Redner die vor einer Volksversammlung sprachen. Klassische und engere Bezeichnung: Monolog. Einige Formen und Varianten: Präsentation, Vortrag, Wahlkampfrede, Predigt,...Im engeren Sinn also ein Monolog vor Publikum. In weiterer und auch modernerer Form aber auch ein Dialog mit dem Publikum als Unterricht, Moderation,...
  • Gespräch: Kommunikation zwischen einzelnen Menschen. Als eins-zu-eins Kommunikation, oder auch mit mehreren Gesprächsteilnehmern. Klassische und engere Bezeichnung: Dialog. Einige Formen und Varianten: Beratungsgespräch, Konversation, Mitarbeitergespräch, Teambesprechung, Prüfungsgespräch, ...
  • Redekunst und Redetechnik: Deutsche Begriffe für Rhetorik.
  • Redelehre: Bildungssystem der klassischen Rhetorik.
  • Eloquenz: Die Fähigkeit sich flüssig und gewandt auszudrücken.
  • Metakommunikation: Reden über das Reden.
  • Präsenz: Die spürbare Anwesenheit eines Redners im Hier und Jetzt.
  • Performanz: Das Verhalten und die individuelle Sprachverwendung in einer konkreten Situation.
  • Persuasion: Das Überzeugen bzw. Überreden.
  • Rednergabe: Wir haben unterschiedliche Talente. "Poeta nascitur, orator fit." Ein Dichter wird geboren, ein Redner wird gemacht.
  • Sermo (lateinischer Begriff: deutsch Rede, Gespräch; englisch discourse, conversa­tion; französisch paroles, conversation)
  • Variatio delectat: (Abwechslung erfreut.) Es ist gut, den eigenen möglichen Redestil zu erweitern.

Die klassische Rhetorik bietet bereits grundlegende und systematische Antworten auf die Fragen eines Redners.

Geschichte der Rhetorik:
Seit 2500 Jahren in Bewegung!

Das antike Griechenland: Die Anfänge finden sich bei den Griechen, dort gab es die ersten Redelehrer. Bei Streit wegen Eigentum und Recht mussten die Betroffenen persönlich vor Versammlungen sprechen. Diese Redner bereiteten sich vor: Dafür gab es bald reisende Rhetoriklehrer und Akademien wurde gegründet. Werke aus dieser Zeit sind manchmal noch in Fragmenten vorhanden. Aristoteles ist für seine Arbeiten zur grundlegenden Theorie der Rhetorik bekannt.

Römer: Die Römer übernahmen viele Kulturleistungen der Griechen. Die Rhetorik wurde kritisch betrachtet, wie alles Griechische zu dieser Zeit. Die Römer übernahmen Inhalte und  passten sie dem praktischen Bedarf an. Für die Oberschicht gehörte die Redekunst bald zum Bildungskanon. Berühmte Redner waren zum Beispiel Cicero und Cäsar. Ebenfalls prägend für System und Geschichte war Quintilian. Er war der erste vom Staat bezahlte Redelehrer. Auf den Arbeiten von Aristoteles, Cicero und Quintilian bauen viele nachfolgende Werke auf.

Mittelalter und folgende Epochen: Im Mittelalter ist die Rhetorik mit gesellschaftlichen Veränderungen verknüpft. In reduzierter Form diente sie oft nur als Lobrede gegenüber den Herrschenden. Die Predigtlehre entstand und wurde bis in Feinheiten ausgebaut. Da um 1700 fast 80% der Bevölkerung nicht lesen konnte, war die Predigt eine wichtige Bildungs- und Informationsquelle. Die Klassiker wurden gelesen und nachgeahmt, wenn sie in das Weltbild passten. In vielen Bereichen gab es wenig Spielraum für neue Erkenntnisse.
In der Renaissance: Vor 600 Jahren wurden in Konstanz Abschriften von Quintilian wiederentdeckt. Auch andere Schriften aus der Antike wurden neu gelesen. Neu gelesen bedeutet die Bedeutung wurde wieder erkannt. In Briefen tauschten sich Entdecker und Leser aus.

Im nachfolgenden Barock wurden formale Kriterien und eine eher schnörkelhafte Art der Rede als wichtig und oft richtig bewertet. Daher stammt auch die manchmal anzutreffende Bewertung der Redekunst als Schönrednerei.

Aus jeder Epoche gibt es, manchmal indirekt, überlieferte Schriftwerke und Systeme für die Anwendung. Es gibt also eigentlich viele Rhetoriken. Die einzelnen Teilaspekte wurden immer weiter verfeinert. In kritischer Auseinandersetzung wurde das Wissen vertieft. Zahlreiche Aspekte waren an ihre Zeit gebunden und sie sind heute nicht mehr praktisch anwendbar. Viele Erkennnisse und Anwendungsmöglichkeiten werden als neu vermarktet, aber sie sind seit vielen Jahrhunderten bekannt. Generelle Kritiker der Rhetorik wendeten und wenden dafür rhetorische Mittel und Methoden an.

Bild altes Rathaus Lemgo Relief am alten Rathaus in Lemgo, NRW

Als wichtiger und prägender Wirkungsfaktor wurde Rhetorik, über Jahrhunderte, als eine der „septem artes liberales“ ( sieben freien Künste) unterrichtet. Dazu gehörten auch Grammatik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. An alten Rathäusern und Universitätsgebäuden finden sich noch Hinweise auf diesen Bildungskanon. Die Hinweise auf den Bildern finden sich in Lemgo und Oxford.

Bild Eingangsbereich der Universität Oxford. Rhetorik in Oxford, England

Das 20. Jahrhundert: Autoritäre Strukturen und die Nutzung aller Instrumente und Möglichkeiten zum rücksichtslosen Machtaufbau führten in Katastrophen. Mit technischen Mitteln wie dem Radio, konnten auch mehr Menschen erreicht werden. Nur wenige Menschen konnten sich dem entziehen. Jede Struktur, jede staatliche Einrichtung und die Nutzung der Sprache wurde instrumentalisiert. Leseempfehlung dazu: Victor Klemperer: LTI (Lingua Tertii Imperii / Sprache des Dritten Reiches)

Nach der Katastrophe des 2.Weltkrieges wurde die Sprachnutzung auch durch politische Lagerbildung mitbestimmt. Sowohl im politischen Diskurs wie auch in pädagogischen Bereichen und Lehrbüchern finden sich davon mehr als nur Spuren. Neue Impulse kamen gerade aus der Forschung mit der jüngsten Vergangenheit und Gegenwart. Der Bedarf an praktischer Redetechnik in den Bereichen der Politik und Wirtschaft verstärkte diese "neue Rhetorik." Die Sprachwissenschaften, Sozialwissenschaften, Rechtswissenschaften und die Philosophie stellten Fragen die zum Themenbereich der Rhetorik gehören. Anthropologie und Literaturwissenschaft haben Verbindungen zur Rhetorik. Im frühen 20. Jahrhundert gab es die sogenannte linguistische Wende (linguistic turn), die bewusst machte, wie sehr sich der Mensch durch seine Sprache definiert.

Praktische Rhetorik kam, über den Umweg aus den USA, wieder erfolgreich in die Buchregale: Als Ratgeberliteratur in sehr stark reduzierter, kulturell geprägter Form. Ich treffe oft Menschen die Rhetorik mit diesen Ratgebern gleichsetzen.

Als wissenschaftliche Disziplin: In Tübingen wurde 1967 der Lehrstuhl für Allgemeine Rhetorik eingerichtet. So wurde sie in Deutschland wieder verstärkt in das wissenschaftliche Gespräch gebracht. Ausführlichere Informationen zur Allgemeinen Rhetorik finden Sie auf den Seiten der Universität Tübingen. http://www.rhetorik.uni-tuebingen.de/

Gegenwart: Rhetorik dient der individuellen Anwendung, Wahrnehmung und Aufklärung:

  • Auf der einen Seite steht der einzelne Mensch der selber sprechen kann / möchte / oder muss. Es geht nicht darum Regeln nachzubeten: Es geht um die sinnvolle und individuelle Anwendung.
  • Auf der anderen Seite werden wir täglich mit Behauptungen, Bewertungen, Botschaften, Meinungen, Nachrichten, Informationen, Manipulationen, Aufforderungen und Eindrücken konfrontiert.
  • Genau hier liegen, für mich, die rhetorischen Aufgabenbereiche der Aufklärung, Wahrnehmung und Anwendung.
  • Die oben genannten Fragen: "Was sage ich? Wie formuliere ich? Wie verhalte ich mich als Redner?" bleiben, die Antworten sind aktuell!

Rhetorik hatte und hat einen starken Einfluss auf unsere Wahrnehmung als Individuum. Was es bedeutet ein einzelner Mensch zu sein, können Sie spüren wenn Sie plötzlich vor 10 oder 100 Menschen sprechen sollen. Der europäische Subjektbegriff hängt auch mit rhetorischer Bildungsgeschichte zusammen. 

Das Reden, als komplexes menschliches Werkzeug, prägt uns als Gattung und als Individuum.

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